Ich werde älter – das ewige Thema!

Auf dem Bild sieht man eine Hand an einem Baumstamm. Außerdem die Sätze:
Ich werde älter 
und
Das ewige Thema.


Ich werde älter – Das ewige Thema!

Ich werde älter – und bin mal wieder völlig unvorbereitet.

Es ist Frühling.

Ich stehe barfuß auf unserer frisch gekärcherten Terrasse. Die Sonne scheint auf die hellbeigen Fliesen. Sie fühlen sich warm und sauber an unter meinen nackten Füßen. Einige Fliesen weisen ein paar Bruchstellen auf. Das stört mich nicht. Die Terrasse ist nicht neu aber nach der Wäsche leuchten die Platten wieder in ihrem Original Farbton. Ich genieße das Wetter und mir geht es gut.


Doch was sehe ich da? An manchen Ecken sind Absplitterungen im Lack erkennbar, die ich bisher nicht bemerkt habe. Seit wann sind die da? Unter dem Dreck waren sie jedenfalls nicht zu sehen. Jetzt umso mehr.

Mein nächster Gedanke: Nichts hält ewig!

Und dann ist das ganze Drama nicht mehr aufzuhalten. Wie eine Welle, die mich fluten will.

Wieso muss eigentlich alles irgendwann kaputt gehen? Gegenstände, Lebensentwürfe, Theorien. Alles verschwindet irgendwann wieder. Alles! Nicht nur kaputte Terrassenplatten.

Auch ich bin irgendwann reif! Was ist mit mir? Ich spüre in den Körper. Habe heute ein bisschen Rücken. Ich spüre die linke Hüfte. Dann schaue ich auf meine Hände, die zwei frisch geerntete Radieschen halten. Warum sehen meine Hände heute älter aus als gestern? Die Haut ist ganz trocken. Dabei creme ich sie doch regelmäßig ein! Ich erinnere mich an mein Alter und daran, dass selbst bei größtem Wohlwollen nicht von Halbzeit die Rede sein kann. Auch bei mir splittert der Lack. Schon länger. Und zwar gewaltig!

Die freundliche Stimmung von vorhin ist jetzt komplett im Eimer. Mein ganzes Erleben reduziert sich gerade auf die aussichtslose Frage:

Wieso nur ist dieses verrückte Leben komplett auf Verfall programmiert?

ICH WILL DAS NICHT!

Kennst du solche Anfälle auch?

Ich halte still. Fühle. Lasse zu, was da kommen will. Lasse den inneren Konflikt toben. Die Ambivalenz. Gedanken tummeln sich, die nicht gerade konstruktiv sind. Warum bricht die gute Stimmung IMMER ausgerechnet an ihrem Höhepunkt entzwei?

Immer? Wirklich immer? Natürlich nicht.

Aber heute. Und wenn es geschieht fühlt es sich nach „immer“ an.

Dabei sollten mir solche Gedanken doch eigentlich keinen Stress machen. Oder?

Schließlich beschäftige ich mich schon lange mit den Phänomenen des Älterwerdens. Mein Blog handelt genau davon. Ich arbeite mit Frauen in der zweiten Lebenshälfte und gehöre selbst zu meiner gewählten Zielgruppe. Ich begleite Frauen durch Krisen und beobachte die älter werdenden Menschen in meinem Umfeld aufmerksam. Und trotzdem holt es mich von Zeit zu Zeit ein.

Es ist definitiv nicht so, dass ich jederzeit stressfrei mit dem bin, was ich als die Schwerpunkte meiner Arbeit (und damit auch meines Lebens) sehe. Und das ist gut und richtig so. Schließlich bin auch ich Werdende und Wachsende in diesem Leben. Und als Werdende fühle ich, was gerade ist. Ich gehe sozusagen als Schülerin des Lebens in jedes neue Lebensjahr. Ich wachse und erlaube mir Weiterentwicklung. Wie sonst könnte ich dir Beraterin sein, wenn ich nicht weiß, wie sich das Älterwerden anfühlen kann?

Einmal mehr wird mir der riesige Spagat zwischen „kognitivem Wissen“ und „ganzheitlichem Spüren“ bewusst.

Ich gehe diesem Spüren noch ein wenig nach. Wo bringt es mich hin? Es bringt mich zu dem (unerfüllbaren) Wunsch, dass dieser ewige Niedergang wenigstens mal Pause machen könnte. Das geht mir alles irgendwie zu schnell. Gibt es irgendwo Aufschub? Fristverlängerung?

Woher kommt dieser dringende Wunsch in mir, den Verfall aufzuhalten?

Ich gehe noch einen Schritt weiter und versuche, so ehrlich wie möglich zu mir selbst zu sein. Woran genau hänge ich so sehr? Am Vertrauten? An den geliebten Menschen? Denkt mein Ego vielleicht, dass die Welt nicht klar käme ohne mich? Halte ich mein „Hier sein“ womöglich für allzu wichtig? Die Kinder sind groß, gehen längst ihre eigenen Wege.

Vermutlich ist es von allem ein bisschen.

Der Anteil in mir, der keinerlei Alterungsprozessen unterliegt, vergisst immer wieder, dass mein Körper vergänglich ist.

Ich habe noch so viel Lust auf dieses abgefahrene Erdenspektakel. Ich spüre Neugier und immer noch Entdeckergeist. Schließlich habe ich erst in etwa fünfzehn verschiedenen Berufen gearbeitet. Oder sind es doch mehr? Egal, es gibt noch so viel mehr zu entdecken! Immer wieder fällt mir etwas ein, was ich so gerne noch ausprobieren möchte. Achja, und dann sind da ja noch die endlosen Bücherlisten. Kriege ich die bis dato überhaupt alle gelesen?

Es gibt Episoden, da bin ich mit meinem Alter total relaxed. Eigentlich ist es sogar die meiste Zeit so. An den Tagen, an denen es mich dann einholt, wiegt das Vergessen des Einsseins, das uns oft so inkohärent fühlen lässt, schwerer als sonst. Da fehlen mir zu meiner Ganzheit einige Puzzleteilchen. In diesen Momenten hadere ich mit meiner Sterblichkeit. Ich spüre Sehnsucht nach Leben und vergesse dabei, dass ich eigentlich mittendrin bin. Im Leben. Mir fallen die FreundInnen ein, die schon gegangen sind. Manche plötzlich und unerwartet. Etwas Unerträgliches schleicht sich an und lässt sich nicht zurückdrängen. Für einen Augenblick bin ich wehrlos und Ablenkung funktioniert nicht.

Das einzige, was es schließlich besser macht, ist das Fühlen. Aufrichtiges, wahrhaftiges Fühlen. Hinspüren. Selbst das Unerträglichste möchte wenigstens einmal kurz ertragen werden. Wenn das gelingt, passiert genau das, was sich sämtlichen Erklär-Versuchen entzieht. Genauso plötzlich wie das Drama mich gepackt hat, mitten im Sumpf kruder Gedanken spüre ich, dass ich wieder ein Stückchen tiefer ins Leben gerutscht bin.

Und auch wenn das hier jetzt total kitschig klingt, es ist wie wenn die Sonne nach dem Regenschauer wieder durch die Wolkendecke blinzelt. Wie ein neues leuchtendes Bild, welches sich aus den zerbrochenen Stückchen im Kaleidoskop bildet. Etwas wird weich in mir. Ich erkenne mein eigenes Gedankenspiel und kann es wie aus einer Distanz heraus beobachten. Damit verliert es seine Macht über meine Befindlichkeit.

Und das Beste ist: Wenn du einmal Übung darin hast, Dinge genau dann zu fühlen, wenn sie bei dir anklopfen, dauert der Prozess, den du durchläufst, nicht mehr so lange wie zu der Zeit, als du dich noch gegen alles gewehrt hast, was sich nicht gut anfühlt.

Im oben beschriebenen Beispiel habe ich für etwa zwanzig Minuten nichts anderes getan als genau zu erfühlen, was sich da zeigen wollte. Ich habe nachgespürt und bin sehr bewusst nicht ausgewichen.

Im Überwinden dieser Turbulenzen kann man tatsächlich Übung bekommen. Es ist wie Wellenreiten. Am Anfang fällst du bei jeder Welle vom Board. Irgendwann aber hast du gelernt, wie du dich zu bewegen hast, um oben zu bleiben. Du schaffst es, die Welle zu nehmen, ohne komplett darin zu versinken. Du erkennst das Spiel in allem. Wenn du an diesen Punkt gelangt bist, erkennst du selbst, was Unendlichkeit, Hoffnung, Vertrauen oder tiefe Liebe wirklich bedeuten. Du spürst, dass sie weiter reichen als unser kleines Gedankenspiel. Üben lohnt sich also.

Wenn du Unterstützung benötigst, dann melde dich gerne.

In diesem Sinne

Alles Liebe …

Deine Daniela

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