Sich sorgen – Wenn wir uns in Sorgen verlieren

Auf dem Bild ist eine Frau mit Brille. Sie sieht nachdenklich aus. Text: Sich sorgen. Wenn wir uns in Sorgen verlieren.


Sich sorgen – Wenn wir uns in Sorgen verlieren

Sich sorgen – Wenn Sorgen zur Grundlage unseres Lebens werden.

Ganz gleich, ob es sich um die derzeitige politische Weltlage handelt oder ob die pubertierende Tochter die vereinbarte Zeit, nach Hause zu kommen, nicht eingehalten hat.

Du spürst, wie deine innere Unruhe zur Höchstform aufläuft.


Du hast es ja gleich gewusst! Dabei sollte sie spätestens um 23 Uhr zuhause sein. Jetzt ist es fast Mitternacht. Du liegst seit Stunden wach und deine vorausschauend gefahrvollen Gedankenszenarien werden mit jeder Minute, die vergeht, turbulenter. Es IST etwas passiert. Jetzt bist du dir ganz sicher. Das hat sie noch nie gemacht. Herz und Magen fühlen sich an, als wäre ein Bagger drüber gefahren.

ER liegt neben dir, schnarcht seit anderthalb Stunden gemütlich vor sich hin. Warum sorgt ER sich nicht? Ist IHM seine Tochter nicht wichtig?

Du stehst auf und machst dir Tee. Schaust nochmal ins Handy. Keine Nachricht. Wir müssen die Polizei alarmieren! Du weckst IHN. ER reagiert sauer und murmelt unverständliches Zeug. Deine Nerven liegen blank. SEINE Beschwichtigungen bringen dich auf die Palme. Ihr fangt an, zu streiten. Ein Wort gibt das nächste. Die Situation droht zu eskalieren. Dann ertönt der vertraute Klingelton. Du rast zum Handy und öffnest die Nachricht.

„Hi mama sorry dass ich mich nicht früher gemeldet habe unterwegs ist der Akku leer gegangen hab den letzten bus verpasst schlafe bei Lilly gutes nächtli bis morgen Herzchen Herzchen Herzchen“

Aufatmen. Aber es hat dich Nerven gekostet.

Was ist es bei dir? Was löst bei dir den Alarmknopf aus?

Bei uns ist es von Zeit zu Zeit die wirtschaftliche Situation, die dazu verlockt, sich Sorgen zu machen. Wenn es für meinen Mann Thomas keine kaputten Gitarren zu reparieren gibt und die reifere Frauenwelt gerade sehr gut ohne mich zurechtkommt. Außerdem zickt das Auto.

Da erscheinen vor dem inneren Auge auch gerne Szenarien, die an den Existenzängsten rütteln. Da wird das Sorgengerüst immun gegen Argumente und unsere innere Bereitschaft zum „Sich Sorgen machen“ kräftig angekurbelt. Fühlt sich an wie ein Sog, in den man gerät. Etwas zieht uns in eine bestimmte Richtung.

Thomas ist diesbezüglich deutlich anfälliger als ich.

Wann sollen wir es üben, uns nicht zu sorgen, wenn nicht dann, wenn es „Grund zur Sorge“ gibt?

In entspannten Zeiten sorgenfrei zu sein, ist keine große Sache. Allerdings sind viele Menschen es auch dann nicht. Es heißt nicht umsonst, „sich Sorgen machen„. Wir machen uns unsere Sorgen.

Um auf das oben genannte Beispiel zurückzukommen: Sind wir schlechte Eltern, wenn wir beschließen, uns nicht zu sorgen? Einmal andersherum gefragt: Führen Sorgen irgendetwas zum Guten? Oder lösen sie gar das bestehende Problem?

Wohl eher nicht! Schlimmstenfalls beeinträchtigen sie unsere Handlungsfähigkeit so sehr, dass wir einen naheliegenden nächsten Schritt in Richtung Lösung des bestehenden Problems nicht erkennen. Das wiederum führt zu noch mehr Sorgen. Wir fühlen uns hilflos, haben den Blick auf das Ganze verloren.

Ich habe drei Kinder groß gezogen. Wenn ich mir im Rückblick die Frage stelle, wie viele Sorgen um die Kids sich tatsächlich zu irgendwelchen Katastrophen entwickelt haben, so fällt mir (Gott sei Dank) nicht viel ein.

Der Anruf aus der Grundschule, als das Kind nicht angekommen war.
Ich hatte sofort den Knoten im Magen. Was ist passiert? Hatte ich nicht eben einen Rettungswagen gehört? Es klingelt an der Tür. Oh Gott, lass ihm nichts zugestoßen sein… Mit bangem Herzen öffne ich die Tür. Vor der Tür steht… das Kind. Es gab eine neue Baustelle auf dem Weg zur Schule und das Kind hat nach reiflicher (und längerer) Überlegung beschlossen, umzudrehen und wieder nachhause zu kommen.

Die Interkontinentalflüge meiner Tochter. Auch noch über Nacht! Darf ich mich überhaupt schlafen legen, wenn sie da oben ist? Ich weiß nicht…. kann sich ein Flugzeug wirklich zwölf Stunden lang in der Luft halten?

Der Tag, an dem das Kind ankündigte, vermutlich sechs Fünfen aufs Zeugnis zu bekommen. Verdammte K*cke! Ich wusste, dass es nicht gut aussieht. Aber doch so viele? Was soll nur aus ihm werden? Ist ja auch kein Wunder. Warum ist er nur in allem immer so langsam? Wir haben noch am selben Tag in einer anderen Schule vorgesprochen. Glück gehabt. Kind konnte nach den Ferien wechseln. Er hat heute ein abgeschlossenes Bachelorstudium.

Um wie viele Dinge und Umstände hast du dir schon Sorgen gemacht, die sich dann ganz anders entwickelt haben?

Was machen Sorgen mit uns? Sorgen malen Bilder in unseren Köpfen. In Signalfarben! Und die Motive machen Angst. Sorgen und Angst gehen gerne Hand in Hand. Sie arbeiten miteinander und stärken sich gegenseitig. Sorgen nähren unsere tiefsitzenden Ängste und diese wiederum liefern Futter für endlose Ketten von Sorgen. Der Verstand braucht Drama. Sonst langweilt er sich.

Auf jeden Fall führen Sorgen auch zu körperlichem Unbehagen. Die Vielfalt ist hier groß. Druckgefühl im Hals, Knoten im Magen, Kopfschmerzen, ein enger Brustkorb, der Atem stockt, das Herz rast oder stolpert. Gedanken kreisen ausschließlich um das Sorgenthema. Stundenlange Grübeleien und Schlaflosigkeit sind logische Folgen.

Ich kenne tatsächlich Menschen, denen es niemals wirklich gut geht. Irgendwas ist immer. Das Beisammensein mit ihnen ist manchmal ein endloses Gejammer, weil es so vieles gibt, was nicht optimal läuft und was möglicherweise passieren könnte. Alles, was sie sehen, sehen sie durch die eingefärbte Brille ihrer persönlichen Dramen. Für die Themen anderer interessieren sie sich kaum.

Fast habe ich den Eindruck, dass die Sorgen, die so einige Zeitgenossen umtreiben, ihnen die Verantwortung für die eigene Lebenssituation abnehmen (sollen). Manche sind an einer Lösungsfindung überhaupt nicht interessiert. Die Sorgen bilden eine Art Fundament, auf dem ihr Leben thront. Sie bleiben ganz freiwillig das Opfer ihrer Sorgen.
Wenn ich das Gefühl „sowieso nichts ändern zu können“ vor mir hertrage und zu meiner Lebensdevise mache, brauche ich gar nicht mehr nach konstruktiven Lösungswegen zu suchen.

Es erfordert tatsächlich eine Entscheidung, mit dem „Sich sorgen“ aufzuhören. Aber wie mache ich das? Wir sind so sehr daran gewöhnt, uns um irgendwas zu sorgen. Außerdem tragen die täglichen Berichterstattungen in den Medien in hohem Maße zur Erhaltung und mehrfachen Verdopplung unserer Sorgen bei. Geht es dir auch so, dass du manchmal auf brisante Berichterstattungen regelrecht lauerst? Du erinnerst dich: Der Verstand will Drama!

Erschwerend hinzu kommt, dass sich die meisten Sorgen auf etwas beziehen, was – in der Zukunft – passieren könnte. Das kann alles und nichts sein.

Ein erster (übrigens sehr wirkungsvoller!) Schritt aus diesem Hamsterrad heraus könnte darin bestehen, mit dem Jammern aufzuhören. Jammern hält mich in der Opferrolle gefangen. Es ist etwas anderes, eine brisante Situation konkret anzusprechen als über sie zu jammern. Auch offen zuzugeben, dass ich mit einer bestehenden Situation überfordert bin oder dass mir etwas Angst macht, ist etwas anderes als Jammern.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, Vertrauen zu üben. Probiere einmal, wenn du dich um etwas sorgst, den Spieß umzudrehen und bewusst zu überlegen, ob dir Vertrauen gelingt. Wenn dein Kopf anfängt, Gruselbilder zu produzieren, schau mal, ob es möglich ist, dir vorzustellen, das es gut verläuft oder zumindest gut endet.

Überprüfe doch gerade einmal deine Jetzt-Situation. Nimm dir einen Augenblick Zeit und spüre sorgfältig nach. Was ist gerade deine größte Sorge? Bezieht sie sich auf die gegenwärtige Situation? Damit meine ich wirklich die aktuelle Situation, also nicht auf etwas in einer Stunde oder morgen und erst recht nicht nächstes Jahr. Was ist es, das dir gerade jetzt Sorgen bereitet? Findest du ein klare Formulierung ohne in den Jammermodus zu geraten?

Je genauer wir unterscheiden, ob das bestehende Problem ein aktuelles ist, oder ob sich unsere Sorgen auf die Zukunft beziehen, umso gezielter können wir nach Lösungsansätzen suchen.

Hierbei hilft es sehr, darauf zu vertrauen, dass es für Sorgen, die sich auf die Zukunft beziehen, zu ihrer Zeit die passenden Lösungen geben wird.

Ganz wichtig zu erinnern ist, dass ich bei bestehenden Problemen auch andere Menschen zur Lösungsfindung hinzubitten darf. Ich muss nicht alles alleine mit mir ausmachen. Das entlastet!

Allerdings tut es das nur dann, wenn ich auch wirklich an einer Lösung interessiert bin.

In diesem Sinne

Alles Liebe …

Deine Daniela

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