Lilith – Die erste Frau Adams?

Auf dem Bild befinden sich Blumen und der Schriftzug Lilith


Lilith – Die erste Frau Adams?

Lilith?

Wer ist Lilith?

Ich behaupte, dass diese Frage nicht so ganz sicher zu beantworten ist. Noch nie habe ich zu einem Artikel so viel recherchiert wie zu diesem. Ich wage eine Annäherung zu Lilith aus meinen subjektiven Resonanzen heraus, die während des Schreibens und Recherchierens immer wieder in mir anklingen.


Als vor wenigen Jahren eine Bekannte meiner Tochter ein Mädchen zur Welt brachte, gaben sie und ihr Mann dem Kind den Namen Lilith. Ich googelte den Namen, weil ich an seiner Bedeutung interessiert war.

Die erste Beschreibung, auf die ich stieß, war, dass Lilith als die erste Frau Adams gilt.
Bitte was???
Und was ist mit Eva? Hatte ich etwas nicht mitbekommen?

Der babylonische Talmud, eine der wichtigsten Schriften im Judentum beschreibt Lilith als erste Frau Adams. Vollkommen gleichberechtigt mit Adam!

Den Satz lassen wir uns jetzt einmal auf der Zunge zergehen:

Lilith war vollkommen geleichberechtigt mit Adam!

Auch in den Apokryphen (Texte, die sich auf die Schriften der Bibel beziehen aber kein Teil der Bibel geworden sind) wird Lilith erwähnt.
In der Bibel selbst allerdings kommt sie nur an einer einzigen Stelle namentlich vor. Und das nicht in allen Ausgaben. In der Einheitsübersetzung heißt es in Jesaja 34 Vers 14: „Wüstenhunde und Hyänen treffen sich hier, die Bocksgeister begegnen einander. Auch Lilit (das Nachtgespenst) ruht sich dort aus und findet für sich eine Bleibe.“

Das ist nicht viel. Warum taucht sie sonst nirgendwo auf?

Im ersten Schöpfungsbericht 1. Buch Mose 1. Kapitel, Vers 27 heißt es: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gleichberechtigt?)
Erst später im 2. Kapitel wird berichtet, dass Gott den Menschen aus Erde erschuf und ihm seinen Atem einhauchte. Er ließ ihn in einen tiefen Schlaf fallen und formte aus seiner Rippe eine Frau (Eva).

Auf einem Gemälde Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle in Rom wird Lilith als Schlange dargestellt, die Eva den Apfel reicht.

In den Mythen und Legenden, die sich um Lilith ranken, wird über sie sehr unterschiedlich berichtet.

Sie wird als widerspenstig, wild, unverschämt, eigenwillig, ungehorsam, als geflügeltes Wesen, Kindsmörderin oder weiblicher Dämon beschrieben. Auch sexuelle Zügellosigkeit wird ihr nachgesagt. Obendrein wollte sie sich Adam nicht unterordnen. Und damit konnte er, laut den Texten, nicht umgehen.

Einmal darauf gestoßen, lässt mich die Gestalt Lilith nicht mehr los. Etwas an ihr scheint mir allzu vertraut.

Außerdem beschäftigt mich die Frage: Warum wurde Lilith keine Aufnahme in den sogenannten biblischen Kanon gewährt? Laut eines (evangelischen) Pfarrers, den ich persönlich kenne, ist sie nicht einmal Thema im Theologiestudium. Ich selbst war über viele Jahre mit der evangelischen Kirche sehr eng verbunden. Nicht ein einziges Mal war die Figur Lilith Thema. Warum nicht?

Lilith ist eindeutig eine Unruhestifterin. Es ist so viel einfacher, das Bild der hingebungsvollen, unterwürfigen Eva für sich stehen zu lassen.

Wurde Lilith uns schlicht und einfach unterschlagen? Mit der Folge, dass Generationen von Frauen dem ausschließlichen Bild von Eva entsprechend konditioniert sind? Uff….

Über die Verfasser der biblischen Texte gibt es meines Wissens nach keine verlässlichen Angaben.
Jedoch nehme ich an, dass die Auswahl der Bücher, die um 400 n. Chr. in den biblischen Kanon aufgenommen wurde, (nahezu?) ausnahmslos von Männern getroffen wurde. Warum wurde Lilith die Aufnahme verweigert? Ich kann es mir nur damit erklären, dass ein Wesen wie Lilith den Entscheidungsträgern Angst eingejagt hat und dass es furchtbar unbequem war, sich überhaupt mit ihr auseinanderzusetzen. Und daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben. Eine Frau, die weiß was sie will, ihre Wünsche äußert und sich nicht mit Oberflächlichkeiten abspeisen lässt, jagt so manchem männlichen Wesen Angst ein.

Das sollte Motivation genug sein, uns auf die Spuren Liliths zu begeben. Ich halte dies deshalb für wichtig, weil das Eva-Bild nur die halbe Miete ist. Das Eva- Frauenbild ist nicht vollständig. Gerade so, als hätten nur die braven, anschmiegsamen, hingebungsvollen und vor allem unterwürfigen Anteile in uns Frauen ein Existenzrecht. Was also tun mit den anderen Seiten? Wohin mit Eigensinn (Eigensinn = Sinn für das Eigene), Unartigkeit oder sexueller Selbstbestimmung? Das über Jahrtausende währende Verdrängen dieser Kräfte hat viel Leid gefordert und tut es immer noch.

Die Befreiung der Frau hat, vor dem Hintergrund der Entstehung der Religionen betrachtet, gerade erst begonnen.

Und sie ist, global gesehen, noch nicht allzu weit fortgeschritten. Wie alles Lebendige auf der Welt, sind wir als polare Wesen angelegt. Die „Nur-Eva“ gibt es nicht! Zeit also, dass wir uns wieder „ganz“ machen. Die Lilith-Anteile in uns zu befreien, ist längst überfällig. Meines Erachtens ist es die Kraft Liliths, die die momentan stattfindende immense globale Frauenbewegung antreibt.

An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass ich nicht dazu aufrufe, Lilith zu romantisieren. Es geht nicht darum Lilith zu verherrlichen und im Gegenzug dazu Eva ans Kreuz zu schlagen oder sie zu verbannen. Es geht um eine Verbindung dieser beiden gegensätzlichen Pole. Wir alle tragen beide Temperamente in uns. In individuell unterschiedlichen Anteilen ist in jeder Frau sowohl Eva als auch Lilith lebendig. Es geht darum, in eine neue Balance zu kommen. Auch für uns Frauen ist es an der Zeit, die Angst vor den unkontrollierbaren Kräften zu verlieren, die in uns wirksam sind. Sie sind sowieso da. Wir sind herausgefordert, zu lernen, die kraftvollen, ungezähmten und selbstbestimmenden Anteile in uns wiederaufleben zu lassen und gleichzeitig unsere weichen, hingebungsvollen und zarten Seiten lebendig zu erhalten. Eine riesige Herausforderung.

Nur wenn es uns gelingt, beide Seiten zu integrieren, können wir heil im Sinne von „Ganz“ werden.

Es geht um die „Versöhnung mit Lilith“, wie in einem Midrasch jüdisch- feministischer Frauen geschrieben steht. Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf diese wundervolle Beschreibung Liliths von Marianne Wallach-Faller gestoßen. Solltest du unbedingt lesen.

In vielen Teilen der Welt riskieren Frauen immer noch ihr Leben, sobald sie damit beginnen, ihre Wünsche zu äußern oder irgendwas einzufordern. Die Bereitschaft der Frauen, für bessere Lebensumstände zu kämpfen, nimmt dennoch auch in diesen Ländern zu. Meines Erachtens können wir diese mutigen Frauen am besten in ihrem Bestreben nach Freiheit unterstützen indem wir uns selbst in eine neue, möglichst stabile Balance bringen.

Werden wir uns unserer eigenen tiefen Zersplitterungen bewusst, geschieht Heilung ganz von selbst.

Bedenke: Wir tun das nie nur für uns. Durch die machtvolle weibliche Kraft, die an Grenzen nicht Halt macht, stärken wir alle Frauen. Auch die eingesperrten, verachteten, im Namen unterschiedlicher Religionen unterdrückten Frauen werden auf diese Weise von uns gestärkt. Wir gehören alle zusammen. Zusammen sind wir ein „Ganzes“.

Heil zu werden, erfordert Mut. Denn heil zu werden bedeutet, das „Ganz werden“ zuzulassen. Wir sind nicht nur Eva, sondern auch Lilith.

Ich möchte dir Mut zusprechen, die wilden Kräfte in dir zunächst aufzuspüren und in weiteren Schritten zuzulassen. Sie können die Triebfeder für ein großes Vorankommen sein. Du bist nicht alleine damit. Millionen Frauen stehen an der gleichen Schwelle. Let´s do it!

Ich grüße dich herzlich,

Deine Daniela

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