Ich habe mich geirrt

Das Bild zeigt ein florales Ornament mit Herzen und den Schriftzug Ich habe mich geirrt


Ich habe mich geirrt.

Ich habe mich geirrt.

Wie ist es für dich, wenn du merkst, dass du einem Irrtum aufgelaufen bist?

Fällt es dir schwer, dir das einzugestehen? Oder anderen? Ich sage es lieber gleich: Wer – so wie ich – einen Hang zum Perfektionismus hat, tut sich schwer damit, Irrtümer zuzugeben.
Sei einmal ehrlich zu dir selbst. Wie leicht oder schwer fällt es dir, zuzugeben, dass du dich geirrt hast und jemand anders es besser wusste?


Als mir die Idee zu diesem Artikel kam, habe ich mir die Frage gestellt, welcher Irrtum in meinem Leben der größte oder nachhaltigste war. Dabei ist mir mein allererster, bewusst wahrgenommener Irrtum eingefallen:

Ich war schon in der Schule und hatte mittlerweile ein Verständnis für Zeit entwickelt. Dies bedeutete, dass ich Tage von Wochen und diese von Monaten oder Jahren unterscheiden konnte.
Meine Eltern waren politisch interessiert und beide hatten den zweiten Weltkrieg miterlebt. So war es nicht verwunderlich, dass der Begriff „Krieg“ in ihren Gesprächen vorkam und bei mir innere Bilder produzierte. Ich selbst hatte längst erfasst, dass Krieg etwas sehr furchtbares sein musste und hatte eine diffuse Angst, dass es auch bei uns irgendwann einen Krieg geben könnte.
Nur dachte ich, dass ein Krieg etwas ist, das vielleicht ein paar Wochen, schlimmstenfalls einige Monate dauert. Ein großer Irrtum, wie ich mit einem mal feststellte. Ich erinnere mich noch sehr genau an den Moment, in dem ich realisierte, dass der zweite Weltkrieg sechs Jahre gedauert hatte und dass es Kriege gab (und gibt), die noch viel länger andauerten. Ich erfasste augenblicklich, dass es Kinder auf der Welt gab, die viele Jahre ihres Lebens in einem Kriegszustand verbringen müssen. Dabei schaute ich auch auf mein eigenes Alter und rechnete mir aus, was ein jahrelanges Kriegsgeschehen für mich bedeuten würde. Und wurde für lange Zeit traurig.

Als ich Thomas danach fragte, was er als seinen größten Irrtum erlebt hatte, erzählte er, dass es der Moment war, an dem er realisierte, dass seine erste Ehe nicht mehr zu retten war. Er sah seine Familie zerfallen. Was würde nun aus seinen Kindern, was würde aus ihm selbst werden? Thomas war – wie wohl die meisten Menschen, die heiraten und eine Familie gründen – davon ausgegangen, dass diese Beziehung für immer sein sollte.

Was ist es bei dir? Erinnerst du dich an einen großen, vielleicht folgenschweren Irrtum in deinem Leben?

Auf dem hier beschriebenen Feld treffen sich Gefühle wie Schuld, Scham, Versagen oder/und Angst. Bei manchen Menschen ruft ein mittelschwerer Irrtum sogar ein Gefühl von Vernichtung hervor.

Dabei ist es doch menschlich, sich zu irren – so sagt es jedenfalls das Sprichwort.

Die üblichen gesellschaftlichen Konditionierungen sagen allerdings etwas anderes. Wenn ich mich beispielsweise im Schulunterricht an entscheidenden Punkten irre, werde ich nicht weit kommen.

Ein riesiges Feld von Irrtümern ist und bleibt sicher noch lange die Wissenschaft. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse sind Zeitphänomene, die irgendwann von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abgelöst werden.
Eine Szene aus dem Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ über die Lebensgeschichte des Astrophysikers Stephen Hawking hat mein persönliches Verhältnis zu Irrtümern nachhaltig verändert. Während eines Vortrags konfrontiert ein Besucher den Redner Hawking mit einer seiner früheren Aussagen bezüglich Schwarzer Löcher. Seine Antwort darauf: „Heute sage ich, dass ich mich geirrt habe.“ Stephen Hawking hat sich Irrtümer erlaubt. Sie haben seine Lust an der Forschung nicht beeinträchtigt. Ich behaupte: Im Gegenteil! Ich gehe davon aus, dass diese lockere Haltung zu Irrtümern die Grundlage dafür war, dass er seine Genialität trotz seines schweren Handicaps voll entwickeln und der Welt zu Verfügung stellen konnte.

Meines Erachtens sind Irrtümer sowohl individuell als auch global untrennbar mit Entwicklung verbunden.

Die gesamte menschliche Evolution beruht auf dem Prinzip: Versuch und Irrtum! Wie sonst hätten Generationen vor uns herausgefunden, welche Pflanzen und Früchte in der Natur essbar sind und welche nicht?
Jede Erkenntnis erweitert unseren persönlichen Horizont. Viele Erkenntnisse konfrontieren uns allerdings mit alten Sichtweisen.

Willst du an neuen Erkenntnissen wachsen, so ist es nötig, alte Sichtweisen loszulassen. Dazu gehören auch Konditionierungen, die dich klein halten. Oder negative Glaubenssätze, die du seit deiner Kindheit mit dir herumträgst.

Wenn wir kleine Kinder beobachten, die noch mit der Entdeckung der Welt beschäftigt sind, werden wir feststellen, dass sie sich an einem Irrtum nicht lange aufhalten. Die Welt wird einfach weiter entdeckt. Erst wenn sie wiederholt die Erfahrung machen, dass Fehler und Irrtümer nicht erwünscht sind, bekommen sie ein Problem damit. Manche hören sogar auf, ihrem angeborenen Entdeckergeist nachzugeben. Das wird einer der Gründe sein, warum wir Erwachsenen denken, dass wir die Welt schon fertig entdeckt hätten und uns im Leben auskennen würden. Ich sage dazu nur: Irrtum!

Als ich in die Wechseljahre kam, sorgte mein Körper dafür, dass ich alte Sichtweisen über Bord werfen musste. Ich konnte auf meine alten Bewältigungsstrategien nicht mehr zurückgreifen, musste völlig neue Wege gehen. Und ich kenne einige Frauen, denen es ähnlich erging. Wenn wir die späte Lebenszeit dazu nutzen möchten, unser Bewusstsein auf eine höhere Ebene zu heben, werden wir nicht umhin kommen, alte Konditionierungen zu entlarven und so manches neu zu betrachten.
Dabei ist mir aufgefallen, dass es unglaublich entlastend ist, sich Irrtümer zu gönnen. Der Druck, alles wissen zu müssen oder genau zu wissen, wie es geht, verschwindet allmählich. An seiner Stelle kann sich ab sofort Leichtigkeit breitmachen. Und das fühlt sich sooooo gut an. Gleichzeitig entlastet es auch unsere Mitmenschen, wenn wir nicht mehr alles besser wissen. Die meisten Unterhaltungen bekommen eine neue Qualität. Aggressionen verschwinden aus vielen Gesprächen zugunsten einer hinzugewonnenen Ausgewogenheit.
Wir dürfen ein wenig bescheidener in unseren Behauptungen werden. Das fördert einen lebendigen Austausch und lässt Raum für andere Sichtweisen.

In unserem Menschsein plustern sich durch alle Lebensbereiche hindurch immer wieder riesige Irrtümer auf. Sie warten darauf, von uns selbst und von neuen Generationen aufgespürt zu werden. Hier nenne ich einige Felder, die dafür bekannt sind, dass sich immer wieder Sichtweisen ändern:

  • Sämtliche Religionen
  • Unsere eigenen Innenwelten
  • Kindererziehung
  • Sexualität
  • Gender
  • Ernährung
  • Medizin und Selbstheilung
  • Das Verstehen um Naturphänomene

Welche Lebensbereiche fallen dir noch ein? Schreibe sie gerne in die Kommentare.

Manche Menschen sehen am Ende ihres Lebens ihr gelebtes Leben selbst als einen gewaltigen Irrweg an. Damit uns das nicht passiert, finde ich es wichtig, uns rechtzeitig ins Bewusstsein zu rufen, dass jedes persönliche Wachstum mit Irrtümern, Sackgassen und Hindernissen einhergeht. Ich denke, im Rückblick auf unser bisher gelebtes Leben sollten wir nicht zu hart mit uns selbst ins Gericht gehen. Selbstmitgefühl und eine gewisse Wertschätzung auch der Irrwege sind hier angesagt.

Du weißt ja: Im Rückblick auf Vergangenes schauen wir immer in eine Zeit, in der wir weniger entwickelt waren, als wir es jetzt sind.

Ich grüße dich herzlich und wünsche dir wunderbare neue Erkenntnisse, die dein Leben bunter werden lassen.

Deine Daniela

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