Auf den Spuren der Angst

Auf dem Bild ist schemenhaft eine Frau mit Brille zu sehen und der Satz "Auf den Spuren der Angst".


Auf den Spuren der Angst

Auf den Spuren der Angst

Sie dringt invasiv in jede Körperzelle, bläht sich auf, tut gerne so, als stünde der Tod unmittelbar bevor, schafft unablässig Drama, kommt manchmal im Tarnanzug daher und hält sich an keine Spielregel.

Die Angst!


Sie hält dir einen Zerrspiegel vor und macht dich blind für das, was ist.

Ich bin in einem Krankenhaus zur Welt gekommen. Im Jahr 1966 wurden die Neugeborenen gleich nach der Geburt an den Füßen hoch gehoben, um sie zu messen. Wenn man lediglich geatmet, jedoch nicht geschrien hat (von meinen Kindern hat übrigens keins unmittelbar nach der Geburt geschrien), bekam man einen Klapps auf den Po. Oder mehrere. Dann hat man geschrien! Schreien kräftigt die Lungen. Hieß es.

Schon im Krankenhaus haben die Ärzte zu meiner Mutter gesagt: „Schauen Sie sich ihr Kind einmal genau an. Es hat Angst!“
Von meinem Vater weiß ich, dass ich schon als Säugling ständig mit den Ellenbogen versucht habe, mich aus seinen Armen zu befreien, wenn er mich hielt. Ich konnte mich schon damals nicht anlehnen. Es fällt mir bis heute schwer.

Um es kurz zu fassen: Ich bin mit einem Rucksack voller Angst auf die Welt gekommen.

Wie kann so etwas sein? Kommen wir denn nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt?

Ich behaupte: Nein!

Wenn wir davon ausgehen, dass unser Leben nicht isoliert von „Vorher“ und „Nachher“ ist, bekommen wir mit unserer Geburt eine weitere Chance, zu einem heilen – im Sinne von ganzen – Menschen zu werden. Wir bekommen die Gelegenheit, karmische (Karma beschreibt nichts anderes als den Zusammenhang von Aktion und Re-Aktion) Knoten zu lösen. Man könnte auch sagen, wir bekommen eine neue Chance, Altlasten abzubauen.

Was denn für Altlasten? Und was hat das mit Angst zu tun?

Wenn wir einen Blick auf tiefste Vergangenheiten werfen, werden wir sehr schnell feststellen, dass durch die meisten Zeitalter hindurch Angst die treibende Kraft und für die meisten Menschen das Grundgefühl des Lebens war. Tyrannen und Herrscher wie Herodes zurzeit von Jesu Geburt bzw. Mao Tse Tung oder Josef Wissarionowitsch Dschugaschwilli, genannt Stalin, deren Wirken noch nicht so lange zurückliegt, brachten unglaublich viel Leid über ihr Volk und über die Welt. Sie verbreiteten Angst und Schrecken.

Niemand würde diese Machthaber mit einem hohen Maß an Liebe in Verbindung bringen. Eher mit einem Hohen Maß an Kontrollwahn, Hass und einem unstillbaren Bedürfnis nach Unterdrückung anderer Menschen. Kontrollwahn, Hass und Unterdrückung wiederum sind Ausgeburten tiefster Ängste. Ganz vorne die Angst vor dem Verlust von Macht im Fall dieser Staatsmänner.

Der tiefste Ursprung unserer Ängste ist die Angst vor dem Tod in all seinen Facetten.

Warum haben wir Angst vor schweren Krankheiten? Weil es möglich ist, daran zu sterben = Angst vor dem Tod.
Warum haben wir Angst vor Krieg? Weil es möglich ist, bei einem Bombenangriff ums Leben zu kommen = Angst vor dem Tod.
Es gibt Menschen, die unter massiven Schlafstörungen leiden, weil sie Angst haben, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen = Angst vor dem Tod.

Natürlich gibt es auch andere Ängste, die uns umtreiben. Die Angst vor Strafe zum Beispiel. Oder die Angst davor, verlassen zu werden. Angst vor Versagen, vor Job- und damit vielleicht Prestigeverlust. Und so weiter…

Meine Recherchen hierzu ergaben, dass gerade etwa fünfzehn von hundert Menschen an einer Angststörung leiden. Fünfundzwanzig Prozent der Menschen (also jeder vierte) hat mindestens einmal im Leben mit einer Angststörung zu tun.

Ich gehöre zu den acht Prozent der Menschen, die einmal im Leben eine generalisierte Angststörung (GAS) entwickeln. Bei einer generalisierten Angststörung übernimmt die Angst komplett das Ruder und die Betroffenen schlittern häufig von einer Panikattacke in die nächste.
Mit 47 Jahren brach bei mir im Verlauf einer Viruserkrankung die Angststörung hervor.

Die Symptome von Angststörungen sind vielfältig und nicht immer deutlich der zugrundeliegenden Angst zuzuordnen.

Ich zähle hier einige auf:

  • Panikattacken
  • Schwindelanfälle
  • Herzstolpern oder Herzrasen
  • Schmerzen und Verspannungen im Körper (diese führen zum Beispiel zu Kopf- Rücken- Gelenk- oder Kieferschmerzen)
  • andere Psychische Erkrankungen wie z.B. Zwangsstörungen oder Depressionen

Es gibt noch viele weitere Symptome und Erkrankungen, denen tiefe, (für Betroffene oft nicht konkret spürbare) Ängste zugrunde liegen.

Zudem werden Ängste gerne delegiert.

Hinter Gefühlen wie Wut, Trauer oder Gefühllosigkeit verbirgt sich nicht selten ein hohes Maß an Angst. Außerdem sollten wir alarmiert sein, wenn unsere Kinder unter starken Ängsten leiden. Nicht selten tragen sie nicht nur ihr eigenes, sondern das Päckchen der Eltern (und weiterer Vorfahren) gleich mit. Wenn Eltern und andere Vertrauenspersonen jetzt ungeduldig oder sogar strafend darauf reagieren, bleiben diese Kinder mit ihren Ängsten alleine. Oft bleibt ihnen dann nichts anderes übrig, als den Weg ins „Nicht fühlen“ zu suchen. Auf diese Weise werden ungefühlte Ängste wie ein Staffelstab von Generation zu Generation weitergegeben. Betroffene Kinder brauchen ein bedingungsloses Verständnis und wirksame Tools, die ihnen beim Umgang mit ihren Ängsten helfen. Angst braucht keine Rechtfertigung, um da zu sein. Nicht immer sind Gründe ersichtlich.

So etwas passiert, weil kaum jemand freiwillig bereit ist, sich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen. Es ist einfach so unerträglich. Jede/r, der mit tiefen Ängsten zu tun hat, weiß das. Sich seinen Ängsten aufrichtig zu stellen könnte bedeuten, dass wir eine Zeitlang ganz damit beschäftigt sein würden, unsere Ängste durch Spüren zu „verstoffwechseln“ und sie so zu transformieren. Diese Prozesse können die eigene Handlungsfähigkeit und Belastbarkeit vorübergehend massiv einschränken. Und so schleppen wir den prall gefüllten Angst-Rucksack lieber fest verschlossen wie einen Kokon mit uns herum und hoffen, dass er ein Leben lang hält. Könnte ja klappen. Bloß nicht dran rühren. Bricht er auf, gibt es kein Halten mehr. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wir verlieren den Halt. Dann können wir unseren tief sitzenden Ängsten nicht länger ausweichen. Und so lenken wir uns lieber mit niemals endenden To-do Listen, Parties oder mit ständig neuen Nachrichten und Informationen ab.

Ein weiteres Problem ist, dass wir, sofern unsere Ängste fest verschlossen in ihrem Kokon (in uns) bleiben, alle unsere Handlungen darauf ausrichten, dass der Kokon genau da bleibt, wo er ist. Er sollte sich möglichst nicht bewegen, denn dann könnte er brechen.

Wir treffen Entscheidungen für uns und für andere Menschen (z.B. unsere Kinder), die nicht aus einer Freiheit heraus, sondern unter dem Einfluss und den Verfärbungen tiefer Ängste getroffen werden. Und merken es nicht einmal.

Stellt sich nun die Frage, was wir tun können, um unsere Ängste NICHT unbewusst an unsere Kinder und unsere Umwelt weiter zu delegieren.

Hierzu ist es wichtig, auf dem Schirm zu haben, dass der Verstand die Angst zwar erklären, dokumentieren oder analysieren kann. Heilen kann er sie nicht! es nützt also nichts, wenn wir viel darüber reden oder sie gedanklich sezieren. Wir müssen auch die Ursachen nicht kennen.
Damit wir aus der Schleife der transgenerativen Weitergabe von Angst und Trauma herauskommen, braucht es mutige Menschen, die bereit sind, die Angst zu spüren. Nur durch das Spüren und das Hindurchgehen können Ängste transformiert und damit aufgelöst werden.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Yoga und Meditation bei der Auflösung von Ängsten und Trauma Königswege sind. Hier wird – obwohl wir eigentlich nichts tun – gespürt, transformiert und aufgeräumt. Meditation ist in der Lage, das gesamte Nervensystem, welches bei tiefen Ängsten in eine massive Schieflage geraten ist, zu regulieren. Besonders das autonome Nervensystem sei hier ewähnt. Traumasensibles Yoga unterstützt die vielfältigen auftretenden Prozesse.

Menschen, die bereit sind, sich ihrer tiefen Ängste anzunehmen, brauchen aufrichtige Unterstützung. Auch wirtschaftlich. Sie können möglicherweise nicht in vollem Umfang ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Dazu kommt, dass sie in der Gesellschaft wenig Anerkennung finden.

Dabei leisten sie Großes!

Sie lösen Ängste nicht nur für sich selbst auf, sondern mindestens auch für ihre Sippe. Das klingt vielleicht komisch, ist aber nicht so abwegig, wie es scheint. Wer lernt, Stück für Stück seine Ängste aufzulösen, schafft Raum für Liebe und Freiheit, Freude, Dankbarkeit und andere konstruktive Zustände. Die Linie der Angst wird durchbrochen und wenn immer mehr Menschen das tun, ist das ist ein großer Zugewinn für die Gesellschaft. Genau solche Menschen braucht unsere Welt. Darum sollten sie alle Unterstützung bekommen, die sie nötig haben. Menschen, die sich ihrer Ängste stellen, brauchen grundsätzlich Verständnis und Mitgefühl.

Solltest du selbst oder ein/e Angehörige/r von einer Angststörung betroffen sein, dann zögere nicht, dir Hilfe zu holen. In meinen Einzelcoachings schaue ich gerne mit dir, welche Maßnahmen zur Linderung von Angstsymptomen du selbständig ergreifen und umsetzen kannst.

Ich wünsche dir gute, angstfreie Zeiten in den Unruhen dieser Welt… und nicht vergessen: Die Angst hat nicht das letzte Wort!

Herzliche Grüße,

Deine Daniela

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