Wenn Kinder das Haus bevölkern

Auf diesem Bild ist eine Frau mit Kindern und ein Stern zu sehen, sowie der Satz Wenn Kinder das haus bevölkern.

Wenn Kinder das Haus bevölkern, machen sie so viel Lärm, dass dir fast die Ohren platzen. Wenn die Kinder Jahre später das Haus wieder verlassen, hinterlassen sie eine Ruhe, dass du denkst, du wirst verrückt.

(Autor unbekannt)


Kinder kommen zu uns, bleiben eine Weile und gehen wieder. Vom Kopf her wissen wir das. Warum sind dann die Loslass- Prozesse für viele Mütter so schwierig?

Erinnerst du dich noch an die Zeit, bevor die Kinder ins Haus kamen? Als du noch nicht Mutter warst? Womit hast du deine Zeit verbracht? Hast du Zeiten der Stille zur Kenntnis genommen? Konntest du sie würdigen? Oder waren sie normal?
Hast du dir ein oder mehrere Kinder gewünscht? Brauchtest du lange, um schwanger zu werden? Der Wunsch nach einem Kind ist bei manchen Frauen so intensiv, dass seine „Nichterfüllung“ sie in Depressionen stürzt. Was hast du alles versucht, bis es endlich geklappt hat?

Ist das Kind endlich da, muss sich alles neu finden. Vor dem ersten Kind haben wir eine bestimmte Idee oder Vorstellung davon, wie es sein könnte, ein Kind zu haben. Wie es sich jedoch anfühlt, „plötzlich“ Mutter zu sein, erfahren wir in letzter Konsequenz erst, wenn das Baby da ist. Kein noch so toller Ratgeber kann die eigene Erfahrung ersetzen.

Bei der Geburt wird etwas getrennt, was „gefühlt“ eigentlich noch zusammengehört. Die Mutter und ihr Kind.

Somit beginnen die Loslösungsprozesse, ob uns das gefällt oder nicht, unmittelbar mit der Geburt des Kindes.

Vielleicht kennst du den Spruch: „Wenn du wissen möchtest, wie ein Apfel schmeckt, musst du reinbeißen. Es nützt nichts, wenn du ein Buch über Äpfel liest.“
So ähnlich verhält es sich auch bei der Geburt eines Kindes. Besonders dann, wenn es das Erste ist. Quasi von jetzt auf gleich sind wir dafür verantwortlich, ein Kind auf seinem Weg ins Leben angemessen zu begleiten. Inklusive der zahlreichen Verstrickungen, die sich mit den Jahren auf immer neue Weise herauskristallisieren werden. Das mag zunächst verstörend oder schlichtweg eine Überforderung sein.

Bei mir war es so, dass ich mich von Anbeginn absolut verantwortlich gefühlt habe. Ich habe mich so sehr verantwortlich gefühlt, dass ich mich für alle Situationen, in die mein Kind geriet, gleich mit verantwortlich gefühlt habe. Als mein Sohn ein paar Tage nach der Geburt in die Kinderklinik musste, war dies wie eine persönliche Niederlage für mich. Neben der Sorge um mein Kind suchte ich nach dem Fehler, den ich gemacht haben könnte, dass es so weit gekommen ist. Irgendwie brauchte ich eine logische Kategorie, in die ich diesen Vorfall packen konnte.
So trug es sich weiter Jahr für Jahr, Kind für Kind. Für alles rund um die Kinder fühlte ich mich verantwortlich. Für das, was sie sagten, was sie taten, oder nicht taten. Als ob alles irgendwie auf mich zurückfallen würde. Die Kinder als eine Art erweitertes Ich. Der Weg zur völligen Selbstüberforderung war beschritten.

Wie war (oder ist) es bei dir?

Eine kleine Episode aus meinen Elternberatungen:

Klassische Familienkonstellation. Mutter, Vater (ich nenne sie Klara und Andreas *Namen geändert), drei Kinder. Klara ist mit ihren noch recht kleinen Kindern restlos überfordert. Etwas festgefahren in der immer noch sehr verbreiteten traditionellen Frauenrolle, hat sie Mühe, Andreas ein paar Verantwortlichkeiten zuzumuten und zuzutrauen.
Ihr größter Wunsch, in dieser Phase, so sagte sie, war Ruhe! Klara sehnte sich nach Ruhe. Kein Kind, das lärmt oder ständig „Mama“ ruft. Kein Mann, der von der Arbeit nachhause kommt und gerne noch ein warmes Essen hätte. Abends fiel sie erschöpft ins Bett, morgens war sie wenig ausgeruht, weil das Baby noch nicht durchschlief.

Etwa drei Jahre später war auch das jüngste Kind im Kindergarten. Endlich hatte Klara, zumindest an den Vormittagen, das Haus für sich alleine. Endlich Ruhe!

So weit, so gut.

Nun wäre der Weg für Klara frei, sich wieder mehr um sich selbst zu kümmern. Die wohlverdiente Ruhe, nach der sie sich so lange gesehnt hatte, zumindest eine Zeitlang einfach zu genießen. Im nächsten Schritt könnte Klara sich wieder eigene Ziele setzen, eigene Wünsche formulieren und diesen folgen.
Stattdessen passierte etwas völlig anderes.
In einem weiteren Elterngespräch sagte Klara, dass sie ja nun wieder mehr Zeit hätte und über ein viertes Kind nachdenken würde.

Ups… Was war passiert?

Wenn das Nest sich langsam leert, auch wenn es zunächst nur vormittags ist, scheint das für manche Frauen etwas Bedrohliches zu haben.
In unserem Fall hatte Klara sich so sehr an die chronische Überforderung gewöhnt, dass sie verlernt hatte, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Es ist eine Lücke entstanden. Oder anders ausgedrückt: Klaras Verbindung zu sich selbst wies Leerstellen auf. Diese Leerstellen hätte ein viertes Kind selbstverständlich wieder gefüllt. Das ist eine einfache Gleichung. Das zugrundeliegende Problem würde sich jedoch lediglich um ein paar Jahre in die Zukunft verschieben. Klara hatte ihre Rolle als Mutter zu ihrer Identität gemacht. Ein weit verbreitetes Phänomen.

Wie ging es weiter?

In unserem Fall hatte Klara die Rechnung ohne ihren Mann gemacht. Etwas pragmatischer veranlagt und froh, dass der gröbste Stress vorbei war, war Andreas nicht bereit, sich auf Klaras erneuten Kinderwunsch einzulassen.

Was jetzt?

Lücken und Verzerrungen in der Selbstwahrnehmung gilt es nun aufzuspüren. Im nächsten Schritt sollten dann Lösungswege erarbeitet werden. Dazu braucht es manchmal Unterstützung, damit alte Muster durchbrochen und neue Wege gefunden werden können. Klara brauchte nur wenige Sitzungen, um sich von ihrem nochmaligen Kinderwunsch innerlich und aufrichtig zu verabschieden. Sie fing stattdessen an, sich beruflich neu zu orientieren. Nach einer kurzen Zeit des Ausprobierens, hatte sie einen Job gefunden, der ihr Freude machte und kompatibel mit dem Familienalltag war.

Dies ist eine klassische Episode im Loslösungsprozess einer Mutter von ihren Kindern.

Natürlich ist es damit nicht getan. Bis die Kinder tatsächlich irgendwann das Haus verlassen, werden noch viele Schritte, Abschiede und Auseinandersetzungen notwendig werden. Nach und nach werde ich in dieser Kategorie einige typische Loslösungsprozesse und -situationen inklusive der dazugehörigen Wehenschmerzen und Bewältigungsstrategien beschreiben.
Um diese Prozesse organisch und ohne gröbere Brüche zu durchleben, lohnt es sich sehr, das eigene Selbstgefühl immer wieder zu überprüfen und zu stärken. Ein guter Parameter hierfür ist die Verbindung zum eigenen Körper. Ist deine Verbindung nach innen stabil? Eine zuverlässige Körperverbindung ist die Voraussetzung für eine umfassende Selbstkompetenz. Und die brauchst du, um deine Kinder loslassen zu können, ohne sie fallenzulassen.

Die Kinder loslassen, ohne sie fallenzulassen. Ein solider innerer Wegweiser hilft dabei und ist durch keine Elternzeitschrift zu ersetzen.

Ich praktiziere seit vielen Jahren Meditation, unterstützt von einem sanften meditativen Yoga. Das bringt die Innen- und Außenwelt immer wieder in eine Balance.

Das empfehle ich im Grunde jeder Frau altersunabhängig. Besonders aber, wenn wir in eine Lebensphase eintreten, in der die gesellschaftlichen Konzepte immer noch sehr unflexibel und häufig (ab-) wertend sind, brauchen wir, um ein glückliches Leben zu führen, unser eigenes verlässliches Navigationssystem.

Kümmere dich rechtzeitig darum. Dann kann jeder Loslösungs-Schritt von den Kindern zu einem inneren Wachstumsprozess für dich werden.

Alles Liebe, deine Daniela

P.S.: Hast du Lust auf eine wöchentliche Ausgabe der Herbstzeitrosen-Post? Du kannst sie hier bestellen.

Schreibe einen Kommentar